Über das Leid der Heimkinder
Nicht für alle waren die 50er und 60er Jahre in der Bundesrepublik eine Zeit des Aufbruchs. In kirchlichen und in staatlichen Heimen wurden etwa 800.000 Kinder jahrelang unter heute unvorstellbaren Bedingungen gedemütigt, geschlagen, ausgebeutet und eingesperrt.
Es waren meist nichtige Gründe, die zur Einweisung in die Erziehungsanstalten führten – Gründe, die ein gesellschaftliches Kartell bestimmte, zu dem Jugendbehörden, Gerichte, Lehrer, Nachbarn, Eltern und vor allem die damals noch einflussreichen Kirchen gehörten.
Sie legten fest, was gut und böse, wer brav und wer ungezogen war und ab wann ein Mädchen als "sexuell verwahrlost" zu gelten hatte. Es reichte schon, wenn Nachbarn berichteten, dass ein Kind einer alleinerziehenden Mutter unpassend gekleidet sei oder mit 15 Jahren schon einen Freund oder Freundin hatte, auf Tanzveranstaltungen ging oder die Schule schwänzte. "Wenn du nicht brav bist, kommst du ins Heim" war eine weitverbreitete Drohung damals. Und dort landete man schneller, als man glaubte.
Ein Martyrium im Dunkeln
Wer einmal ins Heim eingewiesen wurde, blieb dort oft lange Zeit. Gut die Hälfte der Kinder war zwei bis vier Jahre in solchen Heimen. Andere verbrachten ihre ganze Kindheit und Jugend in den oft hermetisch abgeschlossenen Häusern.
3.000 Einrichtungen waren es insgesamt in Westdeutschland. Viele Kinder litten unter schlecht ausgebildeten, unbarmherzigen Erziehern, die Idealen von Zucht und Ordnung anhingen und die Kinder seelisch und körperlich misshandelten. Sie wurden geschlagen, gedemütigt, zur Strafe eingesperrt und ausgebeutet. Ein ausgeprägter und anhaltender Sadismus durchzog den Alltag jener geschlossenen Anstalten, die "gefallene Mädchen" und "schwer erziehbare Jungen" auf den Pfad der Tugend und den Weg des Herrn zurückbringen sollten.
Es war ein Martyrium im Dunkeln, denn jahrzehntelang blieben die Vorkommnisse in den westdeutschen Kinderheimen unausgesprochen. Viele der mehreren hunderttausend ehemaligen Heimzöglinge leiden bis heute unter den traumatischen Erlebnissen ihrer Kindheit, die sie selbst Ehepartnern und nächsten Angehörigen aus Scham verschwiegen haben. Und die verantwortlichen Vertreter der Kirchen leugneten offiziell lange die Taten ihrer Pater und Nonnen.
Die Dokumentation greift die Geschichten aus dem ZDF-Spielfilm "Und alle haben geschwiegen" auf und lässt die wahren Heimkinder erzählen, wie sie ihre gestohlene Kindheit erlebt haben. Für den Film kehrten einige an die Orte ihrer Kindheit hinter Gittern zurück.
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